Das Asylrecht und seine Kritiker Teil II

WAS DAS ASYLRECHT TATSÄCHLICH IST (Original auf gegenargumente.at; Teil I, Radiosendung zu Teil II)

Vor drei Jahren – genauer am 13.Oktober 2010 – erschien in der Tageszeitung „Die Presse“ ein Artikel mit dem Titel „Gibt es in Österreich noch ein Asylrecht?“ in dem man Folgendes lesen konnte:

Willkommen im freien Westen!“ Es muss 1986 oder 1987 gewesen sein, als ein Staatspolizist im Journaldienst im Polizeigebäude am Wiener Schottenring eine Flüchtlingsfamilie aus Rumänien mit diesen Worten in Empfang genommen hat. Die Rumänen waren kurz davor mit dem Schiff über die Donau nach Wien gekommen und suchten, wie sich Wolf Szymanski, damals Polizeijurist und später langjähriger Fremdenrechtsexperte des Innenministeriums, erinnert, hier Asyl. Ein Vierteljahrhundert später mutet die Vorstellung, die Polizei heißt Flüchtlinge in Österreich willkommen, reichlich fremd an. … „Das Asylrecht ist eine Tochter der Zeit, die sich gründlich gewandelt hat“, sagt Szymanski.“(Gibt es in Österreich noch ein Asylrecht, Die Presse vom 13.03.2010)

Was ist der Grund für diesen geänderten Umgang mit Flüchtlingen? Mit dem Wandel der Zeit wird dieser geänderte Umgang wohl nicht erklärt sein. Was hat sich an der Asylpolitik Europas und Österreichs geändert und warum? Ist das Asylrecht außer Kraft gesetzt worden oder hat der in den letzten 25 Jahren zu konstatierende, zunehmend unfreundlichere Ton gegenüber Flüchtlingen etwas damit zu tun, was das Asylrecht ist? Das soll im Folgenden geklärt werden.

Was ist das Asylrecht?

Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.“ (§3 Abs1 Asylgesetz 2005)

Sofern es einem Asylwerber überhaupt gelingt, hierzulande einen Antrag auf Einleitung eines Asylverfahrens zu stellen – eine Hürde, an der die meisten Flüchtlinge nicht nur wegen der militärischen Aufrüstung der EU-Außengrenzen scheitern, sondern auch noch wegen EU-Zuständigkeitsregelungen für das Asylverfahren -, muss der Asylwerber nachweisen, dass er Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ist.

Ein Flüchtling ist eine Person, die

sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.” (Art 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention 1955)

Eigentlich, so das Erste was man lernen kann, gehört jeder in das Land, dessen Staatsangehörigkeit er hat. Woanders als in dieser „seiner“ angestammten Heimat aufhältig zu sein, dazu braucht es schon einer besonderen Rechtfertigung, die nicht ihm, sondern dem um ein Aufenthaltsrecht ersuchten Staat einleuchten muss. Nur dass jemand seinen Staat verlassen will, seine damit verbundenen Kalkulationen und Wünsche, sind für die Beantwortung der Frage, ob er schlussendlich ein Aufenthaltsrecht erhält oder nicht, bestenfalls belanglos.

Nicht jeder Fluchtgrund ist also auch schon ein anerkannter Fluchtgrund. Der in der UN-Konvention anerkannte Grund, den Heimatstaat zu verlassen, heißt „wohlbegründete Furcht“ vor Verfolgung „aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung“.

Schutz und Sicherheit, die das Asylrecht meint, hat schlicht nichts mit der gewöhnlichen Vorstellung von Hilfe für hilfsbedürftige Elendskreaturen zu tun. Die miese ökonomische Lage, in der sie sich, dort wo sie herkommen, befinden mögen, gibt für eine Anerkennung als Flüchtling im Sinne der Genfer Konvention jedenfalls nichts her. Wer vor Hunger, vor Seuchen und ähnlichen lebensbedrohenden Umständen flieht, hat nach der UN-Konvention keine Chance als Flüchtling anerkannt zu werden und hat damit schon einmal keinen Anspruch auf Asyl. Der ist – auch nach amtlicher Lesart – ein „Wirtschaftsflüchtling“ und muss zurück.

Die internationale Staatenwelt ist sich darin einig, dass sie sich von ihren Bürgern nicht daraufhin überprüfen lässt, was sie ihnen wirtschaftlich bietet. Es widerspräche tatsächlich dem System des global tätigen Kapitalismus, der weltweit massenhaft Armut herstellt, irgendwo und irgendwie die Erhaltung der massenweise von ihm produzierten Hungerleider dann doch wieder aufs Programm zu setzen oder denen, die zu fliehen versuchen, zu gestatten, dass sie von sich aus, ungebeten, mit ihrem Überlebensdrang und ihrer Dienstbereitschaft die Zentren des Weltgeschäfts behelligen.

Um überhaupt eine Chance auf Asyl zu haben, muss der Flüchtling schon nachweisen können, aus einem der in der Konvention taxativ aufgezählten Gründe verfolgt zu sein. Diese einzig anerkannten Fluchtgründe gehen allesamt auf das Verhältnis des Fluchtstaates zu seinen Bürgern. Geprüft wird, ob der Umgang, den das Fluchtland mit seinen konfessionellen, rassischen oder nationalen Minderheiten, den in seinem Land existenten politischen Gesinnungen pflegt, dem entspricht, was das um Asyl ersuchte Land für geboten hält. Maßstab sind damit diejenigen innerstaatlichen Verhältnisse, die das Zielland für geboten hält. Nur wenn die Asylbehörde diesbezüglich Abweichungen attestiert, kommt eine positive Erledigung des Asylantrages in Frage. Hunger und manch andere Existenzbedrohungen scheiden als anerkannter Fluchtgrund von vornherein aus.

Der Antrag eines Bauern von der Karibikinsel Kiribati auf Asyl in Neuseeland, weil seine Insel wegen des Klimawandels in absehbarer Zeit versinken wird, hatte daher keine Chance und wurde auch vom neuseeländischen Gericht in allen Instanzen abgelehnt. „„Jemand, der ein besseres Leben sucht, indem er den empfundenen Folgen des Klimawandels entflieht, ist nicht eine Person, […] auf die die Konvention zutrifft“, hielt Richter John Priestley in dem am Dienstag veröffentlichten Urteil fest.

(http://www.focus.de/politik/ausland/schlappe-fuer-klimafluechtling-mann-aus-pazifikinsel-bekommt-kein-asylin-neuseeland_id_3433205.html)

Demokratie, Freiheit, Menschenwürde vertragen sich offenbar prima mit Elend, diese Lehre aus dem praktizierten Asylrecht, wollen Freunde des Asylrechts nie ziehen, wenn sie die Staaten mit ihren hilflosen Appellen dazu mahnen, doch bitte die Menschenrechte zu respektieren. Das Asylrecht war tatsächlich aber noch nie ein Rettungsprogramm für alle in Not Geratenen, was man nicht erst heute den massenhaft Toten im Mittelmeer entnehmen kann.

Geprüft wird also durch den Staat, der von einem Flüchtling um Asyl ersucht wird, ob und inwieweit die Lage im Heimatstaat des Asylsuchenden seinen eigenen Vorstellungen von einem ordentlichen und gesitteten Umgang eines Staates mit seinen Staatsbürgern entspricht oder nicht. Die Unterzeichnerstaaten der Flüchtlingskonvention haben sich darauf verständigt, im Falle eines Asylantrags zu überprüfen, ob der Flüchtling aus „wohlbegründeter“ – sprich in ihren Augen berechtigter – „Furcht“ vor Verfolgung aus den genannten Gründen aus seinem Heimatstaat geflohen und nicht in der Lage ist, dessen „Schutz“ in Anspruch zu nehmen. Die Anerkennung der von ihm vorgebrachten Argumente – ob in seinem Fall einer dieser anerkannten Fluchtgründe vorliegt oder nicht – ist Sache des um Asyl ersuchten Staates. Und diese Lagebeurteilung folgt durchaus anderen Kriterien als dem, ob die Leute es bei sich zu Hause noch aushalten. Um die Lage des Flüchtenden geht es bei dieser Überprüfung nur bedingt.

Voraussetzung einer Anerkennung als Flüchtling ist die „Wohlbegründetheit“ seiner Furcht vor Verfolgung aus den genannten Gründen:

Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (z.B. VwGH 22.12.1999,99/01/0334; 25.01.2001 „001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.“ (Asylgerichtshof vom 26.6.2013, C15 421404-1/2011)

Bei der Frage, was wohlbegründete Furcht ist, kommt es, wie man erfährt, nicht darauf an, ob und wie sehr der Asylwerber sich tatsächlich gefürchtet hat. Seine Furcht mag glaubwürdig und echt sein, wie sie will. Das interessiert nicht. Er muss die Asylbehörde von der objektiven Notwendigkeit seines notwendig subjektiven Gefühls(!) der Furcht überzeugen; davon, dass er in seiner Lage gar nicht anders konnte, als sich zu fürchten, dass er sich fürchten musste.

Die Frage nach der Notwendigkeit der Furcht ist nicht mit der Frage nach ihrem Grund – nach ihrer logischen Notwendigkeit also – zu verwechseln. Wenn sich jemand fürchtet, lässt sich diese Furcht auch erklären. Weil sie sich aber erklären lässt, geht sie noch lange nicht als notwendig im Sinne der Konvention durch. Die Messlatte der Notwendigkeit der Furcht, die zur Anwendung kommt, ist das, was einem durchschnittlichen westlichen Bürger als vernünftiger Grund erscheint.

Nigerianische Frauen mit ihrer Furcht vor einem Voodoo-Zauber, mit dem sie sich zur Prostitution in europa zwingen lassen, stehen da schon einmal verdammt schlecht da. Ob diese Furcht wohlbegründet ist, ist da schon einmal sehr die Frage.

„Die Mädchen, die zum Arbeiten nach Europa gebracht werden, kommen vor der Abreise und leisten in einem Ritual im Schrein einen Schwur. Ich nehme dafür Fingernägel, Haare, Schamhaare, Achselhaare und Regelblut. Darauf schwören sie, dass sie zahlen werden und wie viel. Wenn eine nicht zahlt, dann wird sie krank, verrückt oder drogensüchtig“, erklärt der Juju-Mann, richtet sich zu voller Größe auf und rollt die blutunterlaufenen Augen. … Für die Opfer werden die Drohungen zu Realität: Oft sterben Angehörige, wenn sie die Prostitution verweigern, erzählt uns ein Psychologe von Naptip, der nigerianischen staatlichen Stelle gegen Menschenhandel. Meist aber trifft es die Frauen selbst: Sie glauben an den Schwur und verfallen in Wahnvorstellungen. Die Juju-Priester sind ein wichtiger Teil der Frauenhandelsmafia. Verfolgt werden sie trotzdem nicht: „Als Beamter weiß ich, dass ich sie verfolgen sollte“, sagt der Psychologe. „Aber als Afrikaner glaube ich an den Zauber.““(http://www.leeza.at/Analysen/business-mit-der-qware-frauq)

Auch bei der Frage ob „Verfolgung“ vorliegt, erfährt der Asylwerber, dass nicht jede Schikane, nicht alles was als Verfolgung erlebt wird, auch schon Verfolgung ist. Was als Verfolgung gilt und was nicht, ist einzig und allein Entscheidung der für die Bearbeitung des Asylantrages zuständigen Asylbehörde. Dazu kann man in den Erkenntnissen der österreichischen Asylbehörde nachlesen:

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen.“ (Asylgerichtshof vom 26.6.2013, C15 421404-1/2011)

Dass in die persönliche Sphäre des Asylwerbers eingegriffen, seine Interessen verletzt und sein Leib und Leben bedroht werden, begründet für sich noch keine Verfolgung. Es gehört schließlich geradezu zum Wesen von Staaten, seinen Bürgern in Form von Gesetzen vorzuschreiben, was ihnen erlaubt und verboten ist, was sie zu tun und was sie zu unterlassen haben. Noch nicht einmal körperliche Unversehrtheit wird dabei versprochen, man denke nur an den Kriegsfall.

Ob ein Eingriff in die persönliche Sphäre und damit Verfolgung vorliegt oder nicht, dafür ist von entscheidender Wichtigkeit, ob die Asylbehörde den Eingriff als gerechtfertigt oder ungerechtfertigt beurteilt. Aber selbst wenn die Asylbehörde zum Schluss kommt, dass es sich um einen – im Sinne der UN-Konvention – ungerechtfertigten Eingriff handelt, ist damit noch immer nicht der Tatbestand der Verfolgung begründet. Dafür muss er außerdem auch noch von erheblicher Intensität sein. Ein gewisses Mindestmaß an Intensität muss die Verfolgung also schon haben, um bei einer österreichischen Asylbehörde auf Missfallen zu stoßen. Bloß ab und an ein bisschen verfolgt, das reicht auf jeden Fall nooch nicht, um als Asylant anerkannt zu werden.

Selbst wenn dem Asylwerber eine Verfolgungslage attestiert wird, reicht dies noch nicht für eine positive Erledigung seines Antrages. Geprüft wird nämlich nicht einfach seine Verfolgungslage – ob er also tatsächlich einer Verfolgung ausgesetzt ist -, sondern diese Verfolgungslage daraufhin, ob sie dem Fluchtstaat zur Last zu legen ist:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.3.1995, 95/19/0041; 23.7.1999, 99/20/0208; 17.9.2003, 2001/20/0177; 28.10.2009, 2006/01/0793) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen – würden sie von staatlichen Stellen gesetzt – asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann. (VwGH 22.3.2000m, 99/01/0256).“ (Asylgerichtshof vom 26.6.2013, C15 421404-1/2011)

Die Verfolgungshandlung muss dem Heimatstaat des Asylwerbers vorwerfbar sein, entweder indem er sie selbst gesetzt hat oder nicht in der Lage oder nicht gewillt ist, diese Verfolgungshandlung zu unterbinden. KeinFluchtgrund liegt daher vor, solange die hiesige Politik im attestierten Terror des Alltags nicht das Resultat der dort installierten politischen Zustände, sondern die bloß private Gewalt krimineller Banden erkennen möchte.

Zusammenfassend lässt sich also über das Asylrecht sagen, geprüft wird durch den Staat, der durch einen Flüchtling um Asyl ersucht wird, ob und inwieweit die Lage im Heimatstaat des Asylsuchenden seinen Vorstellungen von einem ordentlichen und gesitteten Umgang eines Staates mit seinen Staatsbürgern entspricht oder nicht. Der asylgewährende Staat erteilt anderen Staaten Noten, mit denen er ihnen attestiert, welches staatliche Betragen ihm passt oder eben nicht passt.

Wann werden Bürger eines anderen Staates als „asylberechtigt“ eingestuft, wann wird behauptet, sie würden vom anderen Staat „verfolgt“? Dann, wenn der verurteilende Staat eine Generalkritik an der Art und Weise des Regierens im anderen Staat hat und zwar, weil dieser Staat seine Herrschaft auf eine Art und Weise ausübt, die zu den eigenen Interessen nicht passt, ja ihnen entgegengesetzt ist. Das drückt der be- und verurteilende Staat so aus, dass er eine ihm missliebige Herrschaft als ein Vergehen des dortigen Staates gegen seine Untertanen bezeichnet, umgekehrt dürfen dann die Untertanen als Kronzeugen dafür herhalten, dass dort doch wohl eine schlechte Herrschaft unterwegs ist.

Das ist wirklich nicht damit zu verwechseln, dass der be- und verurteilende Staat fremden Untertanen Asyl gewährt, weil ihm die leid täten und es ihn daher drängt, ihnen ein besseres Zurechtkommen zu ermöglichen. Die Asylentscheidung beruht auf dem politischen Einverständnis mit dem bzw. auf politischer Ablehnung des anderen Souveräns. Nur dann werden Asylanten hereingelassen, wenn sie als lebendiges Material für die zwischenstaatliche Feindseligkeit taugen. Das Asylrecht erweist sich damit zusammengefasst als eine diplomatische Waffe, als ein Mittel der Verurteilung anderer Staaten. Den Flüchtlingen kommt dabei die Rolle der Statisten zu. Sie mögen ja persönlich froh sein, wenn ihr Antrag positiv erledigt wird. Um ihren Schutz ist es aber auch in diesem für sie positiven Fall nicht zu tun.

Daraus, dass das Asylrecht eine diplomatische Waffe ist – ein Mittel, dem Fluchtstaat das Missfallen auszudrücken -, erklärt sich auch der in den letzten Jahren bemerkte und von der öffentlichen Debatte als „Verschärfung“ des Asylrechts wahrgenommene, geänderte Umgang mit den Asylwerbern.

Seine Hochzeit hatte das Asylrecht in den Zeiten des Kalten Krieges. Da hatte man es mit einer großen Zahl von Staaten zu tun, die ohne große Differenzierungen mit dem Verdikt „Unrechtsstaaten“ belegt wurden, mit den Staaten des sogenannten Ostblocks. Die Bürger dieser Staaten lebten definitionsgemäß in „Völkergefängnissen“. Meldeten sich die sogenannten „Systemflüchtlinge“ hier, waren sie also „ausgebrochen“ und konnten sich ziemlich sicher sein, ohne große Umstände als Flüchtlinge anerkannt zu werden. Die Absicht dieser Asylpolitik war, zersetzend ins gegnerische Lager hineinzuwirken. Das bereitwillige Aufnehmen dieser Leute ohne die heute übliche Härte der „Einzelfallprüfung“ belegt, dass es eben nicht um das betrübliche „menschliche Einzelschicksal“ ging – diese Leute galten und wurden pauschal behandelt als Beweis für die „Unmenschlichkeit“ eines zu bekämpfenden Systems. Per Ministerratsbeschluss wurde 1956 allen, die aus Ungarn flohen, Asyl gewährt. Die 1968 aus der CSSR Flüchtenden erhielten Asyl per Erlass.

Das Asylrecht nach dem Ende des Kalten Krieges – wie an den Asylwerbern mit laufenden „Verschärfungen“ des Asylverfahrens exekutiert wird, dass es kein Interesse an Asylwerbern gibt

Seit die Staatsgewalten des einstigen Ostblocks sich zur Marktwirtschaft bekehrt und ihren Realsozialismus auf den Misthaufen der Geschichte geschmissen haben, gibt es keinen Staat mehr, dessen Unrechtscharakter durch prinzipielle Anerkennung ihm davonlaufender Bürger betont werden müsste. Wer jetzt immer noch aus Osteuropa weg will, vielleicht sogar weil es ihm nach den Reformen drüben jetzt dreckiger geht als vorher, macht die Erfahrung als bloßer „Wirtschaftsflüchtling“ nicht willkommen zu sein. Anerkennung von Flüchtlingen ohne jede weitere Überprüfung kommt daher nicht mehr in Frage.

Ganz aufgeben wollen die Staaten das diplomatische Mittel Asylrecht andererseits aber dann doch nicht. Staaten und lokale Führer, die nicht ausreichend kooperieren und für deren Zurechtweisung das Asylrecht ein taugliches Mittel ist, gibt es nach wie vor. Für eine eher symbolische Geste des Missfallens reicht es aber, handverlesene Flüchtlinge anzuerkennen. Für die Politiker war im Gefolge des großen westlichen weltpolitischen Erfolges namens „Ostöffnung“ ein Novellierungsbedarf – ein rechtlicher Nachvollzug der geänderten Weltlage – in Fragen der Asylgesetzgebung gegeben. An die Stelle einer Generalanerkennung wie zu Zeiten des Ostblocks ist seitdem die pedantische Einzelfallprüfung getreten. Seit Ende der 80er Jahre ist das Leitmotiv der österreichischen Asylpolitik, dem Missbrauch des Asylrechts entgegenzuwirken. Seitdem kreist auch die öffentliche Diskussion über den Umgang mit Flüchtlingen eher um die kriminalpolizeiliche Frage, wo und wie lange man sie anhalten könne.

1991 wurde mit Einführung der „Drittstaatsklausel“ die Möglichkeit der Beantragung von Asyl in Österreich auf diejenigen beschränkt, die direkt aus dem Verfolgerstaat nach Österreich kommen. Die in den Folgejahren zusätzlich zur Anwendung kommende Dublin-Verordnung der EU, wonach jener EU-Staat für das Asylverfahren zuständig ist, der als erstes betreten wird, sorgt für eine weitere Beschränkung von Asylverfahren in Österreich. Der größte Teil der potentiellen Bewerber wird also schon einmal darüber ausgeschaltet, dass sie sich erst gar nicht bewerben können.

Dem kleinen Rest der Bewerber wird mit der Unterbringung in Erstaufnahmestellen, von denen sie sich in den ersten 20 Tagen überhaupt nicht entfernen dürfen, danach mit einer generellen Beschränkung der Bewegungsfreiheit auf den Meldebezirk, mit weitgehendem Arbeitsverbot, Abhängigkeit von Mildtätigkeit, Unterbringung in Massenunterkünften mit schlechter Versorgung u.v.m. das Leben als Asylwerber so unattraktiv wie möglich gemacht. Dass Asylwerber die Möglichkeit haben, einen negativen Bescheid zu bekämpfen, etwas was sonst als Gütesiegel der Rechtsstaatlichkeit gilt, wird in diesem Fall seitens der Politik als unerträgliche Verschleppung des Asylverfahrens verurteilt und unter dem Titel der „Beschleunigung“ des Verfahrens zunehmend eingeschränkt, indem sie in zweiter Instanz keine neuen Fakten mehr vorbringen dürfen (Neuerungsverbot) und ihnen die ansonsten bei so gut wie jedem Bescheid mögliche Anfechtung beim Verwaltungsgerichtshof verwehrt wird.

Dass es sich bei all diesen Änderungen des Asylrechts um eine „Verschärfung“ handelt, wie die Flüchtlingsorganisationen glauben wollen, kennzeichnet diese Änderung unzutreffend. Die Änderung der Asylpolitik hätte ihren Grund darin, dass das Quantum Mitgefühl der Staaten sich aus welchem Grund immer geändert hat. Weniger Flüchtlinge bedeutet nach dieser Gleichung weniger Schutz, ist gleich Verschärfung. Diese Charakterisierung lebt ein weiteres Mal vom Irrglauben, beim Asylrecht ginge es um den Schutz der Flüchtlinge. Geändert hat sich aber nicht das Mitgefühl, darum ging es nie, geändert und zwar grundsätzlich hat sich die Weltlage und mit ihr die Nützlichkeit von Flüchtlingen für den diplomatischen Schlagabtausch.

Asylfall Syrien

Dass dem Staat nicht an den Asylanten, wohl aber am Asylrecht als Mittel diplomatischer Verurteilung anderer Staaten gelegen ist, dafür liefert die „Humanitären Aktion Syrien“ der österreichischen Bundesregierung Anschauungsmaterial.

Während am Brenner laut Presse zwischen Juli und Oktober 2013 577 syrischen Flüchtlinge, darunter Kleinkinder und Schwangere, aufgegriffen und nach Italien zurückgeschoben wurden, erklärt sich Österreich nicht nur dazu bereit, 500 syrische Flüchtlinge direkt aus der Krisenregion aufzunehmen, sondern sogar nach dazu, diese Flüchtlinge selbst aus dem Bürgerkriegsland abzuholen(!).

Die ersten der von Österreich aufzunehmenden syrischen Bürgerkriegsflüchtlinge treffen am Dienstag 1.Oktober gegen 19:00 Uhr mit dem Flugzeug in Wien-Schwechat ein. … Die aufgenommenen Flüchtlinge werden in Österreich Asyl von Amts wegen, dh. einen dauerhaften Schutzstatus erhalten.“ (Kleine Zeitung vom 1.10.2013)

Vom Standpunkt der Vorstellung, es ginge um den Schutz von Verfolgten und Vertriebenen, ist das absurd. Auch wegen ihrer lächerlich geringen Anzahl im Verhältnis zur gesamten Zahl der syrischen Flüchtlinge. „Mehr als drei Millionen Syrer sind laut UNO bisher aus ihrer Heimat geflohen“ schreibt die Kleine Zeitung am 28.11.2013. Beide Gruppen von Menschen, Abgeschobene wie zu Holende, flüchten vor derselben Kriegslage. Da hätte man doch gleich die 577 aufnehmen können, die es schon bis zur österreichischen Grenze geschafft haben, könnte man meinen.

Worum es wirklich geht, wird klar, wenn man liest, dass die Flüchtlinge, die aufgenommen werden sollen, handverlesen sind. Geholt und aufgenommen werden nicht einfach irgendwelche Flüchtlinge, geholt und aufgenommen werden vorwiegend Christen. Zum Warum liest man auf der Homepage des Innenministeriums:

Warum sind Christen ein Schwerpunkt? …Diese (die Christen) befinden sich insbesondere als religiöse Minderheit oft in einer besonders schwierigen Situation zwischen Regierung und Revolutionären.“ (Information des BMI „Humanitäre Aktion Syrien“)

Europa und mit ihm Österreich will die syrische Staatsmacht verurteilen, ohne deswegen gleich umstandslos Partei für die muslimischen Teile der Aufständischen zu ergreifen. Die syrischen Christen, die unter dem Druck beider Seiten stehen, eignen sich daher besonders gut als Kronzeuge für die politische Missbilligung sowohl der syrischen Staatsmacht als auch der muslimischen Teile der Gegner Assads. Sie kommen in den Genuss eines „Asyls von Amts wegen“, müssen sich also nicht dem für andere Asylwerber geltenden Asylverfahren mit seiner peniblen Einzelfallprüfung unterziehen, ersparen sich das Abwarten eines Asylverfahrens und reisen bequem mit einem von Österreich gecharterten Jet ein, während die übergroße Mehrheit weiter in den Flüchtlingslagern rund um Syrien dahinvegetieren darf.

Asylfall Afghanistan

Ein Pech mit einem Asylantrag hat man als Flüchtling, wenn man aus Afghanistan kommt. Afghanistan besteht zwar aus kaum mehr als der Hauptstadt Kabul und einem dort residierenden Präsidenten Karsai. Aber genau auf dieses Gebilde haben sich die westlichen Aufsichtsmächte geeinigt, es als einzig legitime Herrschaft anerkannt und den verschiedenen ethnischen Gruppen, Stämmen, Warlords, usw. aufgezwungen. Dass dieser Vasall des Westens außerhalb Kabuls keinerlei Macht hat und die Warlords gewähren lassen muss, spricht keineswegs gegen dieses Regime.

Einem afghanischen Flüchtling, der versucht diesen Zuständen zu entkommen, den Status eines Verfolgten zuzugestehen, wäre gleichbedeutend damit, dieser eigenen Kreatur das Misstrauen auszusprechen. Insofern sich Karzai um das Maß an Sicherheit kümmert, das ihm auf Basis der Untertützung durch seine Aufsichtsmächte nur irgendwie möglich ist, spricht die prekäre Sicherheitslage im Lande noch lange nicht für eine Anerkennung als Flüchtling. Absolute Sicherheit könne man bei einem „Staat im Aufbau“ nicht erwarten. Insofern Afghanistan sich aber bemühe, alles in seiner Macht Stehende zu unternehmen, die Sicherheitslage zu verbessern, dürfe man nicht so strenge Maßstäbe anlegen. Bei der von den Asylwerbern geltend gemachten Verfolgungen handelt es sich nach dem Urteil des Asylgerichtshofes entsprechend in der großen Mehrzahl der Fälle um keine „asylrechtlich relevante Verfolgung“. „Neue Flüchtlinge aus Afghanistan haben es zunehmend schwerer Fuß zu fassen. Sie sind verstärkt von Abschiebung bedroht. „Die Anerkennungsquote sinkt, es haben fast nur noch Frauen Chance auf Asyl“

(http://www.asyl.at/fakten_1/asyl_2012_14.htm), erfährt man auf der Seite der Asylkoordination.

Asylfall Pakistan

So gut wie gar keine Chance auf Asyl in Österreich haben Flüchtlinge aus Pakistan, auch wenn sie – wie ein großer Teil der Flüchtlinge, die mit der Besetzung der Votivkirche auf ihre Lage aufmerksam machen und ein Aufenthalts- und Arbeitsrecht in Österreich erkämpfen wollten – aus dem Swat-Tal kommen, in welchem sich das pakistanische Militär und die Taliban schwere Gefechte liefern und Drohnenangriffe der USA zum Alltag der dortigen Bewohner gehören. Ihr Pech ist, dass Pakistan nicht zu den Feindstaaten gehört, was sich in den Asylentscheidungen zur „asyl- und abschiebungsrelevanten Lage“ in Pakistan so ausdrückt:

Pakistan ist abwechselnd von demokratisch gewählten Regierungen und Militärdiktaturen regiert worden. Im Herbst 2008 kehrte Pakistan zu demokratischen Verhältnissen zurück, nachdem der seit 1999 regierende Militärherrscher Musharaf das Land verlassen hatte, um einem drohenden Amtsenthebungsverfahren zuvor zu kommen.“ (Asylgerichtshof vom 08.07.2013, E11 434313-1/2013)

Damit fällt ein Fluchtgrund schon einmal flach – eine Verfolgung durch den Staat! Es handelt sich ja um einen demokratischen Staat. Zur Sicherheitslage heißt es:

Das Hauptaugenmerk der Armee liegt derzeit auf der Bekämpfung der Taliban und anderer jihadistischer Gruppen, die sich in den vergangenen Jahren zur zentralen Bedrohung des Landes entwickelt haben. … Seit Ende April 2009 haben sich die militärischen Auseinandersetzungen zwischen dem pakistanischen Militär und den Taliban verschärft. Die zweite Hälfte 2011 war eine vergleichsweise friedliche Periode. Es kam zu einem Rückgang der Selbstmordanschläge und zu einem Rückgang bei Drohnenangriffen. Die Sicherheitslage verbessert sich langsam, die Gewalt hat in den letzten beiden Jahren um 24% abgenommen. … Der Trend eines insgesamten Rückgangs von Gewaltvorfällen und Opferzahlen, der bereits im Jahr 2010 beobachtet werden konnte, hielt somit auch 2011 an.“ (Asylgerichtshof vom 08.07.2013, E11 434313-1/2013)

Einer der Asylwerber kommt zwar aus der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, in der die Zahl der gewalttätigen Zwischenfälle im Jahr 2011 gestiegen ist, aber da gibt es ja die „innerstaatliche Fluchtalternative“ in die Regionen, in denen sich die Situation verbessert hat:

Im pakistanischen Vergleich ist die Situation im Punjab verhältnismäßig ruhig. Demgemäß gehen auch die Behauptungen in der Beschwerde, dass der bP eine innerstaatliche Fluchtmöglichkeit nicht offen gestanden hätte, da sich die militanten und terroristischen Anschläge auf alle Landesteile erstrecken würden, ins Leere.“ (Asylgerichtshof vom 08.07.2013, E11 434313-1/2013)

Und zu den wirtschaftlichen Überlebensmöglichkeiten weiß der AsylGH:

Selbst für unqualifizierte aber gesunde Menschen wird es in der Regel möglich sein, sich durch Gelegenheitsjobs (im schlechtesten Fall als Lagerarbeiter, LKW-Beifahrer, Tellerwäscher oder Abfallsammler (!)) ihren Lebensunterhalt zu sichern. Dass es möglich ist, sich auch als Neuankömmling z.B. in einer Stadt wie Karachi niederzulassen, zeigen die Zigtausend afghanischen Flüchtlinge, die sich dort dauerhaft niedergelassen haben und aktiv am Leben der Stadt teilnehmen. Im Lichte dieser Ausführungen erscheint es der bP aufgrund der Feststellungen zu ihrer Person vor dem Hintergrund der allgemeinen Lage in Pakistan möglich und zumutbar, dort ihre dringendsten Lebensbedürfnisse auch in einem anderen Landesteil zu decken und wird die bP somit auch an diesen Orten über eine hinreichende Existenzgrundlage verfügen.“ (Asylgerichtshof vom 08.07.2013, E11 434313-1/2013)

Die hier empfohlene Existenzgrundlage ist wohl eher Ausweis einer bitteren Armut als Ausdruck wirtschaftlicher Überlebensmöglichkeit, aber Armut war eben noch nie ein anerkannter Asylgrund.

Asylfall Edward Snowden

Ein Ex-Geheimdienstmitarbeiter der USA macht die umfangreichen weltweiten Spähaktionen des amerikanischen Geheimdienstes öffentlich und befindet sich seitdem auf der Flucht vor der US-Regierung, die ihm das als Landesverrat vorwirft. Die Furcht eines Snowden vor seinem Heimatstaat USA ist durchaus begründet und auch leicht nachvollziehbar. Jeder der gehört hat, welche Behandlung die USA Gefangenen wie ihm angedeihen lassen, kann sie nachempfinden. Auf seiner Flucht vor den US-Behörden bittet Snowden in rund 20 Ländern um Asyl. Sosehr die Staatenwelt über die umfangreichen Spähaktionen der Amis erbost ist, einen Asylgrund will aber keiner dieser Staaten entdecken.

Auf die Frage einer Journalistin im Ö1-Morgenjournal vom 11.11.2013 „Sollte Deutschland Snowden Asyl geben?“ antwortete Egon Bahr, ehemaliger Minister der BRD, wie folgt:

Nein, sollte nicht. Und zwar deshalb, weil Amerika die unentbehrliche Macht ist auf der Welt, nicht nur für uns, sondern auch für die Russen, sondern auch für die Chinesen und für den Rest der Welt. Sehen Sie mal, dass der Putin kooperativ ist und dem Obama geholfen hat, über die Krise Syrien und Chemiewaffen zu kommen, ist die eine Sache und es ist konsequent nur, dass er weiter kooperativ ist und in der richtigen Erkenntnis, dass es für das Verhältnis zwischen Amerika und Deutschland unerträglich wäre, wenn Snowden nach Deutschland käme, das hat er respektiert und eingesehen und ist kooperativ insofern, als er die Möglichkeiten eröffnet hat, dass deutsche Beamte oder deutsche Politiker Snowden auch in Moskau vernehmen können oder mit ihm sich unterhalten können. Also es gibt eine interessante, positive Politik der Kooperation mit Amerika von Seiten Putins, und das brauchen wir, das werden wir auch für den Iran brauchen, dann werden wir mal sehen, was aus der Wundertüte rauskommt.“

Noch deutlicher kann man es gar nicht sagen, welche Erwägungen bei der Frage, ob Asyl gewährt werden soll oder nicht, zum Tragen kommen und was garantiert keine Rolle spielt. Dass Snowden bedroht ist, wird gar nicht geleugnet. Auch wird nicht dementiert, dass eine derartige Bedrohung in anderen Fällen durchaus Grund für einen positiven Asylbescheid sein könnte. Bahr hält es noch nicht einmal – wie andere – für notwendig darauf hinzuweisen, dass die USA doch ein Rechtsstaat seien, weshalb es sich unmöglich um Verfolgung im Sinne der UN-Flüchtlingskonvention handeln könne, wie andere dies tun.

Ein ehemaliger deutscher Außenminister weiß nur zu gut, dass sich Asylgewährung oder nicht nicht einfach aus dem Rechtszustand eines Landes ableitet, sondern sich genau umgekehrt das Urteil über Rechtszustand und Rechtmäßigkeit eines Staates daraus ableitet, wie der eigene Staat zu dem Land steht, dessen Zugriff sich der Flüchtende zu entziehen versucht.

Was das betrifft ist die Sache im gegenständlichen Fall einfach. Das Asylrecht als außenpolitisches Instrumentarium der Zurechtweisung fremder Staatsgewalten ist im Verhältnis zur USA einfach nicht angebracht. Zur Durchsetzung seiner imperialistischen Ansprüche auf der Welt ist Deutschland auf die USA als unentbehrlicher „Partner“ angewiesen. Eine Störung dieses guten und einvernehmlichen Verhältnisses zur Weltmacht Nr. 1 kommt daher keinesfalls in Frage, auch wenn man öffentlichkeitswirksam den Beleidigten ob der US-Spionageaktivität auch gegen Deutschland gibt.

Flucht aus Afrika

Die Fluchtgründe werden nicht weniger, im Gegenteil. Die globalen Erfolge des Imperialismus mit Geschäft und Gewalt. sorgen dafür, dass sich an den Außengrenzen Europas in den letzten 25 Jahren ein vermehrter Zustrom von Flüchtlingen aus Afrika und dem Nahen Osten bemerkbar macht. Flucht ist die andere Seite der kapitalistischen „Globalisierung“. Dem EU-Interesse an einer Zurichtung der Welt als Quelle von Kapitalreichtum ist es schließlich zu verdanken, dass inzwischen bis ins entlegenste Dorf in Afrika die heimischen Lebensverhältnisse durch Geldwirtschaft beherrscht werden. Für jedes Lebensmittel und jedes Produktionsmittel muss gezahlt werden – auch wenn es dort an jeder regelmäßigen Verdienstgelegenheit fehlt. Noch die letzten erbärmlichen Einkommensquellen der Einheimischen werden durch europäische Fischfangflotten vor Afrikas Küsten und durch Billigexporte von Hühnerabfall ruiniert. Ganze Völkerschaften gehören dann, gemessen am Bedarf des globalisierten Kapitalismus an Arbeitskräften zur überschüssigen Weltbevölkerung, mit der kein Geld und kein Staat zu machen ist. Kriege und andere „Katastrophen“, an denen die „modernen Industriestaaten“ ebenfalls beteiligt sind, und zwar nicht nur mit Lieferung von Waffen aus ihren Rüstungsschmieden, komplettieren das Szenario von Verwüstung, Elend und Unterdrückung.

Diesen verheerenden Verhältnissen kann die Mehrzahl der betroffenen Menschen erst gar nicht entkommen. Sie vegetieren vor Ort dahin, andere machen sich auf in angrenzende Länder, dürfen sich dort dauerhaft in Lagern einrichten. Und dann gibt es die im Vergleich dazu geringe Zahl derer, die mit Hilfe von Schleppern, deren Geschäft auf der Überlebensnot der Flüchtlinge basiert, das europäische Festland zu erreichen versuchen in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Allein diese Menschen stellen dann die „Flüchtlingsströme“ dar, von denen sich Europa bedroht sieht. Damit steht die Welt natürlich schon ziemlich auf dem Kopf: Da wird ein ganzer Kontinent rücksichtslos für westliche Interessen zugerichtet und dann leidet Europa an einem gerade dadurch losgetretenen „Flüchtlingsproblem“. Nicht sie, die Flüchtlinge haben ein existenzielles Problem, sie selbst sind das Problem. Europa definiert sich als Opfer einer Lawine seiner eigenen Armutskreaturen, die auf die Grenzen zurollt und der es sich mit noch wirksamerem Grenzschutz zu erwehren gilt.

Klar ist damit: Diese Menschenspezies hat keinen Zutritt zu Europa. Diese Elendsgestalten haben keinerlei Rechtsanspruch auf Aufnahme in einem europäischen Land – da mögen sie noch so sehr kurz vor dem Verhungern oder Verdursten stehen. Das einzige Kriterium, das in Sachen „Ausländer rein oder raus“ gilt ist deren Brauchbarkeit für die Absichten der Politik. Dieses Sortierwesen kennt im Wesentlichen zwei Gesichtspunkte: die potentielle Brauchbarkeit von Aufnahmesuchenden für den europäischen Arbeitsmarkt und das Zugeständnis humanitärer Hilfe bei Leuten aus Feindstaaten. Die große Masse der Andrängenden fällt bei diesen Kriterium durch den Raster. Dass die Flüchtlinge etwas brauchen, nämlich etwas zum Überleben, taugt nicht als Richtschnur staatlichen Handelns. Mit dem sturen Beharren auf dem alles entscheidenden Unterschied zwischen In- und Ausländern gelingt den reichen Staaten wie von selbst eine Sortierung zu ihren Gunsten.

Die gutmenschliche Sichtweise, die Hereinlassen = gut und Verhindern = schlecht fasst, die Härte des Grenzregimes beklagt und für mehr Zugang plädiert, stellt sich ziemlich ignorant zum prinzipiellen Zynismus dieser Sortierung.

Vom Stasispitzel zum Bürgerrechtler?!

Die Partei „DIE LINKE“ war bereits zu Zeiten als Partei des demokratischen Sozialismus (PDS) bestrebt, eine Partei für Bürgerrechte zu sein. Dies gelang vor dem Hintergrund, dass dieses Feld demokratischer Politik von den Parteien, die sich als Hüter der Bürgerrechte ausgaben, nach und nach vernachlässigt wurde: Während die FDP dieses Thema bereits zu Zeiten der RAF und spätestens seit dem „Großen Lauschangriff“ nicht mehr glaubhaft für sich reklamieren konnte, war es den GRÜNEN mindestens seit den Sicherheitspaketen I und II (unter Schily nach dem 11. September 2001) nicht mehr abnehmbar, eine Bürgerrechtspartei zu sein.

Die PDS hatte zwar zu Anfang Schwierigkeiten, als eine „Bürgerrechtspartei“ zu gelten, weil man ihr als Ex-Stasi-Haufen schlicht misstraute, Bürgerrechte zu respektieren.

Dabei brauchte sich eigentlich niemand Sorgen zu machen. Selbst der letzte Stasispitzel kann von heut auf morgen Bürgerrechtler werden. Das klingt verrückt, ist aber gedanklich überhaupt keine schwere Leistung.

Als Beispiel soll der Aufruf der LINKEn zur demnächst stattfindenden Bürgerrechtsdemonstration „Freiheit statt Angst“ herhalten, welcher in aller Kürze auf YOUTUBE erschienen ist und vom Genossen Jan Korte aufgesagt wird:

Ärgern tut die bürgerechtlichen Demonstranten inklusive der LINKEn der „Überwachungswahn“ oder „weitere Überwachungsmaßnahmen“  Überhaupt ist stets und ständig die Rede von Superlativen und Fortschreitungen:

Die atemlose Treibjagd in den präventiven Sicherheitsstaat, für die seit dem Jahre 2001 die Herren Schily und Schäuble ins Horn gestoßen haben, hat stark dazu beigetragen, dass private und staatliche Datensammelwut und die entsprechenden Gesetze und Instrumentarien, ausgeufert sind. Gegen die Entwicklung zu einem präventiven Sicherheitsstaat, der die Freiheit Stück für Stück abbaut, hat sich eine neue Bürgerrechtsbewegung entwickelt. […]  „Freiheit statt Angst“ ist seit 2006 das Motto von den größten Demonstrationen für Datenschutz und gegen zunehmende Überwachung[…]

(fett von mir)

Wer so argumentiert, nimmt den Normalzustand von Staat und Überwachung bereits aus der Kritik heraus. Dass es eine Institution gibt, die mit ihrer Gewalt aufpasst, dass sich die Leute benehmen und im Zweifel zuschlägt, falls sie es nicht tun – selbstverständlich! Dass Ordnungsprobleme durch die Regierten Gegenstand von Behörden und Justiz sind – auch längst erledigt. Woher diese Ordnungsprobleme herrühren – egal, solange man ihnen Herr wird.

Und welcher Freund der Stasi aus der PDS/DIE LINKE würde diese Gedanken schließlich nicht teilen?

Es ist kein Zufall, dass  dem so ist , weil es schließlich um die Methode des Staatmachens geht, welche Bürgerrechtler einschließlich der LINKEn derweil kritisieren und nicht um den Inhalt. Daher ist auch die zunehmende Überwachung in der methodischen Abstraktion locker Gegenstand eines westlichen Bürgerrechtlers wie eines ehemaligen ostdeutschen Stasioffiziers. Es ist ja allein die Kritik der mangelnden Zweckmäßigkeit staatlichen Handelns bzw. des Übermaßes davon. Dies hätte freilich auch einen Freund der Stasi gewurmt,  wenn tausend IMs zur Überwachung der Arbeitsgemeinschaft „Leichtathletik“ in der zweiten Klasse der POS „Ernst Thälmann“ abgeordnet worden wären!

Nur der Klarstellung wegen: Tatsächlich hatten DDR und BRD unterschiedliche Zwecke in ihren Staatswesen und daraus resultierte auch der unterschiedliche Umgang der Gewalt mit dem Volk – erstens. Und zweitens sollte nicht gesagt werden, dass die LINKE immer noch den Zweck der DDR teilt.

Wenn man aber allein die Methode der Anwendung staatlicher Gewalt zum Gegenstand der Kritik macht, kann vom sozialistischen über den demokratischen bis zum nationalsozialistischen Patrioten jeder ohne große Schwierigkeiten mitmachen, solange man Patriot ist.

Eine Frage, die hier wohl noch unbeantwortet bleibt, ist freilich folgende: Wenn auf Basis der Bürgerrechte jede Menge Ordnungsprobleme entstehen, deren Bewältigung die zuständigen Innenpolitiker u.a. durch „Überwachungswahn“ versuchen – ist es dann nicht widersprüchlich, dieselben Bürgerrechte als kritischen Maßstab gg. die Reformen einzuführen? Wäre es nicht an der Zeit, die Bürgerrechte auf ihr Loblied zu prüfen?